Vorläufer des Kirchenchores (1862-1883)

Der Vorläufer des Kirchenchores Spreitenbach war eine lose Zusammenfügung von Sängern und Sängerinnen. Man ist versucht zu sagen, dass der Gruppe eine Anzahl Leute angehörten, die sich erlaubten und getrauten, während des Gottesdienstes einige Lieder zu singen. Sicher beteiligten sich nicht an jedem Sonntag die gleichen Leute.

Am 30. März 1862 beschloss der Kirchenvorstand, «dem Sängerpersonal 30 Franken als Besoldung zuzusprechen. Zudem wird den Vorsängern das zur Gesangsübung benötigte und bereits schon angeschaffte Musikinstrument besonders bezahlt.» Was das für ein Instrument war, geht nicht aus den Aufzeichnungen hervor. Ein Harmonium wurde erst 1875 angeschafft. Die Spenderliste für dasselbe ist in der Pfarrchronik (S. 26 - 28) nachzulesen. Die Gaben schwanken zwischen 30 Rp. und 20 Fr. und weisen zusätzlich eine Spende von 200 Fr. des Herrn Lehrer Meier auf. Am 10. Januar 1863 übernahm der Pfarrer den Gesangsunterricht der Kirchensänger. Es sollten aber Statuten vorgestellt werden, welche bei den Sängern Beachtung finden sollten, denn ohne Richtlinien, die zu Disziplin anhalten sollten, wollte er nichts unternehmen.

Am 5. März 1865 erklärte der Kirchenvorstand:

1. Infolge eingetretener Störung beim Kirchengesang erklärt der Kirchenvorstand denselben als aufgelöst. Die Herren Lehrer Meier, Ersatzmann K. Bumbacher und Pfarrer Huber werden ersucht, sich für die Gründung eines neuen Kirchengesang-Chores zu bemühen. 

2. Sämtliche Gesangbücher, die der Kirche angehören, sollen sofort eingefordert werden. 

3. Vom Tage der Konstituierung des neuen Kirchengesang-Chores an gerechnet, soll jeder Sänger und jede Sängerin per Jahr 5 Frs. erhalten. Es haben hingegen dieselben nicht nur fleissig zu erscheinen, sondern auch das ganze Jahr auszuhalten. Sollte ein Mitglied vor Ablauf des Jahres aus dem Kirchengesang austreten, so hat der Kirchenvorstand zu bestimmen, ob und wieviel demselben von dem Jahreslohn verabfolgt werden soll.

4. Herr Lehrer Meier wird als Kirchengesangsleiter bestimmt; er hat als solcher 25 Frs. und als Sänger 5 Frs., zusammen jährlich 30 Frs. zu beziehen.

Diese Ausführungen sollten offenbar als Statuten gelten, waren es aber keinesfalls. Aber die Sängergruppe hatte sich doch bemüht, den Gottesdienst mit einigen Liedern zu verschönern.

Am 27. September 1865, dem Patrozinium und gleichzeitiger Firmung, hatten die Sänger gemeinsam mit der hiesigen Musikgesellschaft den Gottesdienst musikalisch umrahmt und dafür eine Entschädigung von 15 Fr. resp. 9 Fr. erhalten. Der Kirchenvorstand war bestrebt, mit allen Mitteln den Gesang für den Gottesdienst zu erhalten und zu fördern. Er wusste diesen Dienst sehr zu schätzen und hat die Gruppe bei jeder Gelegenheit honoriert, um in ihr Mut und Begeisterung zu wecken. 1868 hat er dem Kirchengesang «für die Kirchendienstleistungen am Auffahrts- und Fronleichnamsfest und deren Oktav eine Gratifikation von 16 Fr. zukommen lassen

Anfangs 1869 wurde dem Kirchenvorstand für die Werbung von neuen Mitgliedern des Gesanges ein Verzeichnis vorgelegt und gewünscht, Herr Lehrer Meier und Herr Pfarrer Huber sollten die Genannten zu einem Vorsingen einladen, um sie auf ihre Tauglichkeit zu prüfen und für den Gesang zu gewinnen suchen.

So viel Mühe sich die Kirchenpflege um den Fortbestand des Kirchengesanges auch gegeben hat, es ist ihr nicht gelungen, die Leute bei der Stange zu halten. Am 8. Januar 1870 meldete der Präsident seinen Amtskollegen, «dass sich der Kirchengesangchor aufgelöst habe. Demzufolge werden sämtliche Mitglieder dieses Chores zu einer Rücksprache ins Schulhaus eingeladen». Der Kirchengesang, offenbar weil aufgelöst, reagierte nicht auf diese Einladung. Und so sah sich der Kirchenvorstand genötigt, am 3. April 1870 Statuten für einen Chor zu erstellen. Herr Lehrer Meier und Herr Pfarrer Huber wurden mit der Ausarbeitung beauftragt. Der Entwurf sollte der Kirchenpflege vorgelegt werden.

Vermutlich konnte im Laufe der Zeit wieder ein Mini-Chor gebildet werden, denn am 18. Mai 1873 wurde gewünscht, «dass von den Sängern anlässlich des Bittganges nach Dietikon beim Kreuz nächst des Grenzpostens ein kurzes Lied gesungen werde». Daraufhin, am 8. Juni 1873, wurde mit den allgemeinen Wahlen der kirchlichen Angestellten auch Herr Lehrer Carl Meier als Gesangsleiter gewählt. Ohne weitere Erwähnung der Tätigkeit des Chores wird am 24. Juni 1877 Lehrer Meier wieder als Leiter des Gesanges bestätigt.

Im Spätherbst 1877 fand in der Kirche ein Konzert mit den Gesangsvereinen aus der Nachbarschaft statt. Die Veranstalter mussten ein förmliches Versprechen ablegen, «dass in keiner Weise der geringste Unfug getrieben werde und dass dieses Versprechen, betreffs anständigem Betragens, an dem Gott geheiligten Orte, pünktlich befolgt werde».

Am 8. Mai 1881 wird als neuer Leiter des Gesanges Herr Lehrer Suter gewählt. Ihm obliegt auch die Begleitung mit dem Harmonium. Die beiden andern Lehrer (Keller von Spreitenbach und Seiler von Killwangen) werden ersucht, weiterhin beim Gesang zu verbleiben.

Mit Musikalien waren die damaligen Sänger nicht überladen. Die Kirchenpflege hält am 18. Dezember 1881 im Protokoll fest: «Der anwesende Gesangleiter, Lehrer Suter klagt über Mangel an kirchlichen Gesängen, namentlich Messen und Vespern. Da die kirchlichen Obern in Erfahrung gebracht, dass in die Kirchenmusik und -Gesang sich manch Unpassendes seit Jahren eingeschlichen, so dringend sei auf Abschaffung dieser Übelstände zu achten». Sämtliche Anwesenden wollten hierin nichts anderes, als was die Kirche vorschreibt und beauftragten den Pfarrer, mehrere kirchlich gutgeheissene Messen und Vespern zur Einsicht und Auswahl aus einer Musikalienhandlung kommen zu lassen.

Aus:
Festschrift zum hundertjährigen Bestehen des Kirchenchores Cäcilia Spreitenbach, 1889-1989, Kurt Wassmer