Haydns sog. kleine Orgelsolomesse ist eines jener hohen Kunstwerke, die man in den sog.  „Kammerkirchenstil"  einreiht. Den Autograph, der vorliegender Ausgabe zugrunde liegt, bewahrt die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien.

Der Anfang ist bezeichnet: Missa brevis Sti. Joanni de Deo.   In N. D. di me Giuseppe Haydn, der Schluß: Laus Deo et B. V. M. et S. Joanni de Deo.

Wenn auch das Jahr der Entstehung nicht ganz sicher ist - entstand das Werk ohne Zweifel in der früheren Eisenstädter Zeit - steht es chronologisch der sog. Grossen Orgelsolomesse in hon. B. M. V. (Es, komp. 1766) und dem Salve Regina (G moll)  aus demselben Jahre mit gleichfalls solistisch behandelter Orgel am nächsten.  Wie aus der Widmung hervorgeht, ist die Messe für die Barmherzigen Brüder in Eisenstadt geschrieben. Daraus erklärt sich ihre Gestalt. Die Eisenstädter Barmherzigenkirche ist eigentlich nur eine größere, wenn  auch sehr schone Barockkapelle, die für einen umfangreicheren Gottesdienst weder liturgisch noch musikalisch Raum lässt. Die Orgel, für die Haydn diese Messe geschrieben hat, versieht mit ihren wunderlieblichen Stimmen auch heute noch ihren Dienst. Haydn war mit den Eisenstädter Barmherzigen Brüdern nahe befreundet. Ein Mitglied, Fr. Primitivus Niemez, war sein Schüler, Cellist im fürstlichen Orchester, später Bibliothekar in Eszterhaz und Verfertiger kunstvoller mechanischer Orgelwerke.


Obschon die Messe für die hervorragendsten Kunstkräfte gerade gut genug ist, ist sie gleichwohl auch bescheideneren Chören zugänglich und insbesondere solchen zu empfehlen, die höheren Zielen zustreben. Bei der Bearbeitung waren erhebliche Schwierigkeiten zu überwinden. Einerseits durfte das Werk nicht durch willkürliche Änderungen oder fremde Zutaten entstellt werden. Anderseits waren liturgische Anforderungen in Bezug auf Verständlichkeit und Vollständigkeit des Textes zu erfüllen.

Bei der sehr gedrängten Kürze der textreichen Mittelteile (das "Gloria" z. B. zählt 31 Takte, in denen von den vier Singstimmen zu gleicher Zeit vier verschiedene Texte abgesungen werden) war die gestellte Aufgabe nicht leicht in befriedigender Weise zu lösen. Wiederholung der einzelnen Sätze war hier das beste Auskunftsmittel. Dem Bearbeiter war es dabei möglich, sich strenge (das letzte rückmodulierende Viertel des 10. Taktes im Credo ausgenommen) an das Original zu halten, und doch in schöner Form den unverkürzten Text zwanglos unterzubringen. Für das „Qui tollis" im Gloria wurde die Vertonung des „Agnus Dei" herangezogen. 

Ferdinand Habel,  1958 Ed. Anton Böhm & Sohn, Augsburg